Der Use Case „Getriebe“ betrachtet den Auslegungsprozess von Antriebssträngen mit Zahnradgetrieben. Dies wird so gestaltet, dass Getriebe für das Use Case 3 Fahrzeug erstellt werden können. Durch die enge Partnerschaft und die Unterstützung des Industriepartners ZF Friedrichshafen AG ergibt sich ein sehr guter Abgleich zu realitätsnahen Prozessen aus dem Bereich der Getriebeauslegung.
Motivation:
Für die Entwicklung von Getrieben stehen bereits viele computergestützte Auslegungsmethoden (CAX) und Modelle zur Verfügung und finden auch Anwendung. Entwurfssysteme speziell für die Entwicklung von Zahnradgetrieben beschränken sich häufig auf die Entwicklung des Getrieberadsatzes aus Zahnrädern, Lagern und Wellen. Diese Softwarewerkzeuge schließen häufig das Gehäuse aus, oder behandeln dieses nur im Ansatz (z.B. Ersatzssteifigkeiten der Lagersitze). Die Domänenübergreifende Integration dieser Methoden zu einem System findet jedoch wenig statt, oder beschränkt sich auf nur wenige Teilmodelle. Im Use Case „Getriebe“ wird ein Entwurfssystem entwickelt, welches über die Auslegung von Radsatzkomponenten hinausgeht und auch einen Gehäuseentwurf enthält. Durch das ganzheitliche Modell werden auch Bewertungen des Entwurfs ermöglicht, die prinzipiell über funktionsrelevante Kenngrößen hinausgehen, wie z.B. Kosten.
Wie in den anderen Use Cases werden Entwurfssprachen verwendet, um den Produktlebenszyklus ganzheitlich abzubilden. Im Falle vom Use Case „Getriebe“ mit Fokus auf den Entwurfsprozess, inklusive der Geometrie. Besonders die Themen Anforderungsformulierung mit Getriebestrukturbeschreibung sowie die Erweiterbarkeit des Entwurfsmodells um ein Gehäuse werden betrachtet.
Anforderungen und Auslegung des Getrieberadsatzes:
Allgemein besitzt ein Getriebe die Anforderung Leistung zu übertragen und dabei Drehzahl und Drehmoment zu wandeln. Um diese Anforderung zu bewältigen eignen sich unter anderem Radsätze mit Zahnrädern — Zahnradgetriebe. Leistungsanforderungen bezüglich Einsatzfall (Drehzahl, Drehmoment, Übersetzung) führen zu einem Radsatz.
Für den Radsatz hat sich die Festlegung auf eine Getriebestruktur (Stufenart und Anzahl) und die Anordnung des Getrieberadsatzes im Raum, inklusive der Dimensionierung auf Lastanforderungen als zentrale Aufgabenstellung herausgestellt. So führen unterschiedliche vorgegebene Übersetzungen eines Getriebes, bei sonst gleichen Anforderungen bezüglich gleicher Drehmoment- und Drehzahlanforderung, zu verschiedenen Radsatzstrukturen. Beispielhaft in Abbildung 1 dargestellt ist die schematische Ausführung verschiedener Radsätze die über eine Entwurfssprache erzeugt sind, hierbei entsprechen die grünen Zylinder den Wellen, weiße Zylinder den Radkörpern der Stirnräder, blaue Zylinder den Wälzlagern und die roten Rotationskörper den Kegelrädern.

Positionierung der Radsatzbauteile im Raum:
Unter der Positionierung der Radsatzbauteile versteht sich das parametrisieren eines festgelegten Radsatzschemas, so dass dieses in seiner Ausprägung (Wellenlängen, Abmessungen der Bauteile) und Anordnung im Raum bestimmt ist.
Das Entwurfssystem ist mit einer Logik ausgestattet, welche beliebige Getriebestrukturen, bestehend aus Stirnradstufen und Kegelradstufen im Raum positioniert, um gegebene Eingangs- und Ausgangspositionen im Raum zu erreichen, siehe Abbildung 2. Damit wird es möglich, sehr schnell Standard-Getriebeschemen auf eine Problemstellung anzuwenden und die Bewertung gegenüber den Wunscheigenschaften des Radsatzschemas früh im Entwurfsprozess durchzuführen.

Erstellung eines Getriebegehäusekonzepts:
Als weiterer zentraler Schritt im Getriebekonstruktionsprozess kann die Erstellung der Getriebegehäusegeometrie angesehen werden. Die Gehäusekonstruktion kann unmittelbar nach der Festlegung des Radsatzschemas beginnen. Der Entwurf startet üblicherweise mit der Festlegung von 2D Schnitten sowie der Definition der Trennnebene der Gehäuseteile. Im Rahmen des Forschungsprojekts werden mehrere Methoden untersucht, um automatisch den gegebenen Radsatz aus Zahnräder, Wellen und Lager mit einer Gehäusehülle zu umschließen. Bei der Gestaltung der Hülle werden ebenfalls Anforderungen bezüglich Steifigkeit berücksichtigt, um zu einem möglichst lastpfadgerechten Gehäuse zu gelangen.
Anwendung der Entwurfsmethodik auf Use Case Segway
Im Nachfolgenden soll auf den Entwurfsprozess näher eingegangen werden, der zum Getriebe für den Use Case 3 Scooter geführt hat. Die Schritte des Entwicklungsprozesses sind in Abbildung Abbildung 3 visualisiert.

Aus dem Gesamtmodell des Fahrzeugs, steht der Bauraum für den Antriebsstrang, bzw. für das Getriebe zur Verfügung. Außerdem kann die Position für An und Abtrieb für das Getriebe abgeleitet werden. Aus dem gewünschten Beschleunigungsvermögen und den Anforderungen für das Regelsystem ergeben sich Leistungsanforderungen für den Motor, sowie daraus eine gewünschte Übersetzung. Für die ermittelte Übersetzung wird automatisch ein passender Radsatz generiert. Der Radsatz kann als Randbedingung für eine Topologieoptimierung verwendet werden, um eine initiale Gehäusestruktur zu erzeugen. Dazu müssen aus den bekannten Eingangsdrehmomenten die Reaktionskräfte an den Radsatzlagern ermittelt werden. Durch die verschiedenen Drehmomentrichtungen, bei Vorwärts- und Rückwärtsfahrt, sowie äußerer Kräfte durch die Aufhängung des Getriebes am Fahrzeugrahmen, ergeben sich mehrere relevante Lastfälle.
Zusätzlich gibt es eine Reihe von Anforderungen an ein Getriebegehäuse die nicht festigkeitsrelevant sind und daher nicht über die Struktur aus der Topologieoptimierung abgedeckt sind, dazu gehört z.B. Öldichtheit des Gehäuses. Aus diesem Grund ist um die Kraft führende Struktur eine zusätzliche geschlossene Hülle angebracht.
Lehrkonzept:
Mit dem realen Bau des Segway Getriebes wird Studenten der Aufbau und die Funktion eines elektrischen Antriebsstrangs nähergebracht. Außerdem werden bei der Koordination der verschiedenen Domänen (Beschaffung, Fertigung, Entwicklung, Regelungstechnik, Versuch) Fähigkeiten im Bereich Projektmanagement ausgebaut.